Marie Jahoda (1907-2001) war eine österreichische Sozialwissenschaftlerin und Sozialpsychologin. Sie wuchs in Wien auf und begann dort nach dem Abitur im Jahr 1926 das Studium der Psychologie. Aufgrund der prekären finanziellen Lage ihrer Familie arbeitete Marie Jahoda neben ihrem Studium unter anderem im Berufsberatungsamt der Stadt Wien, im dortigen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum und als Arbeiterbibliothekarin im Gemeindebau Karl-Marx-Hof. 1932 legte sie ihre Promotion ab und veröffentlichte nur ein Jahr darauf gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Paul Lazarsfeld die bahnbrechende Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“.
Sie arbeitete zunächst im Schuldienst, wurde dann aber als aktives Mitglied der österreichischen Sozialdemokratie und Aktivistin gegen das NS-Regime entlassen. Nach ihrer Verhaftung 1936 emigrierte sie im Jahr darauf nach Großbritannien. Der wissenschaftliche Neuanfang gestaltete sich – wie bei vielen Emigrant*innen – hürdenreich und war zunächst von befristeten Forschungsprojekten geprägt. Von 1939 bis 1941 erhielt sie ein Stipendium der University of Cambridge. Bis zum Kriegsende arbeitete Marie Jahoda schließlich als Freelancerin ohne direkte Anbindung an eine Universität. 1945 ging sie in die USA und arbeitete zunächst als Assistentin von Max Horkheimer.
Mit dem Wechsel an die New York University gelang ihr 1949 schließlich der Sprung auf eine Professur im Bereich der Sozialpsychologie. Hier arbeitete sie an einer Vielzahl von empirischen Studien zu heterogenen Themen wie Vorurteilen, Gruppenkonflikten, Mental Health, Bildungsfragen und beschäftigte sich mit den Folgen des McCarthyismus. 1958 verließ sie die USA und heiratete in zweiter Ehe den englischen Labour-Abgeordneten Austen Albu. 1965 wurde sie Gründungsprofessorin für Sozialpsychologie an der neuen University of Sussex und stand damit auf dem Gipfel ihrer akademischen Laufbahn.
Marie Jahodas wissenschaftliches Schaffen steht für gelebte Interdisziplinarität – gerade auch im Hinblick auf die Methodenauswahl – und Internationalität. Durch die konsequente Verbindung ihrer wissenschaftlichen Forschung mit gesellschaftlichen Fragestellungen und ihr ausgeprägtes öffentliches Engagement in politischen Organisationen ist Marie Jahoda bis heute Vorbild für einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
1994 wurde an der Ruhr-Universität Bochum die nach Marie Jahoda benannte Gastprofessur für Internationale Geschlechterforschung ins Leben gerufen.
Literatur:
Steffani Engler/Brigitte Hasenjürgen (Hrsg.), Marie Jahoda. Ich habe die Welt nicht verändert. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung, Weinheim/Basel 2002
Johann Bacher/Waltraud Kannonier-Finster/Meinrad Ziegler (Hrsg.), Marie Jahoda. Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850-1930. Dissertation 1932. Mit einem Portrait über die Autorin von Christian Fleck, Innsbruck/Wien/Bozen 2017